Donnerstag, 17. Dezember 2009

Herde ohne Hirte

Die Zeit ohne Pastor ist vorbei, die Herde hat wieder einen Hirten. HERein hat drei Stimmen eingeholt, die aus unterschiedlichen Perspektiven diese Zeit bewerten. Irmtraud de Santis erzählt, welche Erfahrungen sie gemacht hat, Gerhard Ullner wertet den Zeitraum seines Predigtdienstes aus, Brigitte Lienhard schließlich, die erst vor Kurzem zu unserer Gemeinde stieß, sagt offen, was ihr aufgefallen ist.

Perfektes Timing


Drei Jahre war ich arbeitslos. Viel habe ich in dieser Zeit gebetet, aber – scheinbar tat sich nichts. Und dann wurde die Hausmeisterstelle in der Gemeinde frei. Eine erste Anfrage blieb ergebnislos. Und ich suchte wieder nach anderen Möglichkeiten, in Arbeit zu kommen. Jedoch, es blieb ohne Erfolg.
Und dann plötzlich ebneten sich die Wege, ich wurde von der Gemeinde ab April 2007 als Hausmeisterin angestellt. Für mich eine Bestätigung, dass Gott mich an dieser Stelle haben wollte.
Im Sommer 2007 verloren wir unseren Pastor. Als Gemeindeleitung mussten die Arbeiten in der Gemeinde neu verteilt werden. Weil ich im Haus wohnte und arbeitete, konnte ich manchen Dienst übernehmen und so meine Vorstandskollegen, die vollzeitig – teilweise auch im Schichtdienst – tätig waren, entlasten. Als Berufstätige im Schuldienst hätte ich dies alles nicht leisten können.
Im Nachhinein erst kann ich die perfekte Zeitplanung Gottes erkennen und nur darüber staunen und Ihm danken für Seine Treue. Irmtraud de Santis


Auf einem guten Weg


In der Apostelgeschichte wird gelegentlich die ganze christliche Lehre als „Weg“ bezeichnet (vgl. Apg. 9,2: 19,9.23; 22,4; 24,14), als der neue Weg, den Menschen gehen. Christen sind Leute die auf dem Weg, also unterwegs sind. - Das Leben als Christ ist immer dann besonders spannend, wenn man nach dem Weg und dem Willen Gottes fragt und sich aufmacht. Mir ist es stets wichtig, unter Gottes Führung „unterwegs“ zu sein.
Es war mir eine große Freude, Euch mit meinen Predigten ein wenig auf diesem Weg zu begleiten. In meinem Blickfeld seid Ihr als Gemeinde Herne schon seit 1983. In dieser Zeit hat sich vieles verändert: in der Gemeinde und auch in unserer Welt. Wir sind eben unterwegs und wollen die alte Botschaft in der sich ständig verändernden Situation den Menschen unserer Tage ausrichten.
Die Frage nach einem glaubwürdigen Christsein ist heute mehr denn je brandaktuell. Viele Menschen haben in den letzten Jahren ihr traditionelles Christentum an den Nagel gehängt, aber sie fragen nach dem Sinn und auch, ob es einen Gott gibt, der für sie da ist. Mehr und mehr begreifen das Evangelium als eine Kraft, die ihr Leben verändern kann. Wer Jesus begegnet, stellt erstaunt fest: Es gibt eine offene Tür zum Himmel, zur Ewigkeit. Wir können Versöhnung von Gott empfangen und Versöhnung unter Menschen bewirken. Jesus hat diese Tür geöffnet.
Die Menschen beobachten uns und fragen nach der Glaubwürdigkeit unseres Christ-seins. Ich denke, Ihr seid auf einem guten Weg. Man spürt in Eurer Gemeinschaft Offenheit und Liebe. Darum bin ich so gerne unter Euch. Ihr habt mit viel Einsatz das Leben in der Gemeinde während der Zeit ohne hauptamtlichen Mitarbeiter gestaltet. Das war bei den vielen Aufgaben eine herausragende Leistung.
Im Januar betretet Ihr nun einen neuen Wegabschnitt mit Alexander Zeeb als Pastor. Es wird nötig sein, neue Formen und neue Strukturen zu suchen - immer unter der Frage: Wie können wir unseren Auftrag für Herne in unserer Zeit erfüllen. Dazu wird die Mitarbeit aller benötigt. Mein Gebet ist, dass es Alexander Zeeb geschenkt wird, alle Gaben in der Gemeinde zu sehen, ihnen zur Entfaltung zu helfen und zum Einsatz zu bringen. Ich bin gewiss, Ihr werdet auch neue Wege finden, den Menschen in Eurer Umgebung, den neuen Weg zu zeigen. Gerhard Ullner


Die unsichtbare Wand

Brigitte Lienhard, 70 Jahre alt, zog vor kurzem aus dem Sauerland nach Herne, um ihrer Tochter und der Familie nahe zu sein. In unserer Gemeinde fiel sie zum ersten Mal auf, als sie ein entschiedenes Plädoyer für den Büchertisch hielt.
Man merkt ihr an, dass sie als Gemeindemitglied nicht nur Beobachterin sein will, auch wenn sie längst aus dem aktiven Gemeindedienst ausgeschieden ist. Wirft man einen biographischen Blick zurück, dann wird klar, warum Passivität für sie ein Fremd‑wort ist. Von 1965 bis 1984 diente sie mit ihrem Mann und der Familie als Missionare unter den Guadalajara-Indianern am Amazonas. Wer die Seelen der Eingeborenen retten will, dem sind auch die Schäfchen einer „normalen“ Gemeinde nicht egal. „Einmal Missionarin, immer Missionarin“, nennt sie dieses Lebensprinzip. So will sie auch verstanden werden, wenn sie auf Defizite hinweist. In unserer Gemeinde vermisst sie die persönliche Note. “Man kennt sich in der Gemeinde zumeist nur oberflächlich.” Man gehe aneinder vorbei und rede aneinander vorbei. Sie möchte die Mitglieder ermutigen, neue Gesichter nicht einfach zu ignorieren, sondern sich ein Herz zu fassen und die unbekannten Gäste anzusprechen. „Mir tun die Leute leid, die einmal kommen und dann nie wieder.“

Zwischen Einheimischen und Zugereisten bestehe eine unsichtbare Wand. Das merke jeder neue Besucher ganz schnell. Dabei unterstellt sie niemandem Böswilligkeit. Es scheine eher so zu sein, dass man sich scheue, eine innere Hemmschwelle zu überwinden. „Anscheinend haben die Menschen Angst, aufeinander zuzugehen. Manche Leute haben geradezu erschrocken reagiert, als ich sie angesprochen habe. Dann aber haben sie sich umso mehr gefreut.“ Jeder müsse sich selbst am Schlafittchen packen und in sich gehen: „Ich persönlich bin für das persönliche Miteinander verantwortlich.“ Wer langjähriges Mitglied ist, dem falle diese Kontaktscheu vielleicht noch nicht mal auf. “Man wird betriebsblind. Aber Gespräche sind notwendig. Man muss auch lernen, über seine Probleme zu reden und formulieren, was man empfindet.” Horst Martens


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